Ich habe wohl seit meiner Kindheit mit unzähligen Ängsten gelebt, ohne mir dessen bewusst gewesen zu sein. Denn meist habe ich gar nicht die Angst selbst gespürt, das Gefühl der Angst, sondern lediglich ihren körperlichen Ausdruck wahrgenommen.

Herzrasen, Bauchschmerzen, Durchfall und enorme Energieschwankungen. Im einen Moment war ich noch top fit und im nächsten so kraftlos, dass ich mich nur noch hinlegen und ausruhen wollte.

Ich wusste bis letzten Sommer nicht, was es mit diesen körperlichen Symptomen auf sich hatte. An vieles hatte ich mich über Jahre hinweg gewöhnt und hatte es irgendwann als meinen Normalzustand akzeptiert.

Doch letzten Sommer hatte ich genug davon, dass mich mein Körper ständig ausbremste und mich davon abhielt, das zu tun, was ich liebte und unbedingt tun wollte. Ich klapperte also diverse Ärzte ab und wurde irgendwann von einem freundlichen und offenen Neurologen mit dem Gedanken konfrontiert, dass meine körperlichen Symptome möglicherweise Ausdruck von Angst sind.

 

Der Wahrheit ins Auge sehen

 

Erst wollte ich das nicht wahrhaben, ich war von dieser Idee wie vor den Kopf gestoßen. Das konnte doch nicht sein! Jahrelang hatte ich mit der Vorstellung gelebt, dass all diese Symptome nur körperlich seien und dass ich daran nicht wirklich etwas ändern könne.

Zudem setzte ich mich schon sehr lange intensiv mit meinem Inneren auseinander, nahm meine Gedanken und Gefühle bewusst wahr und arbeitete aktiv mit den Aspekten meiner Psyche, die mich blockierten oder belasteten. Ich konnte mir schlichtweg nicht vorstellen, dass ICH es mit Ängsten zu tun haben sollte, wo ich doch seit Jahren so bewusst lebte und immer bestrebt war, nichts zu verdrängen.

Doch scheinbar hatte ich viele dieser Ängste schon in meiner Kindheit entwickelt und sie saßen so tief in mir, dass ich sie gar nicht bewusst wahrnehmen konnte. Ich muss die emotionale Ebene dieser Ängste schon sehr früh verdrängt haben, sodass am Ende nur noch ihr körperlicher Ausdruck übrig blieb.

Ich wollte es nicht wahrhaben und doch war es so: Ich hatte jede Menge unbearbeiteter Ängste in mir, die mein Leben bis zu diesem Zeitpunkt maßgeblich gesteuert hatten.

 

Ohne Hilfe schaffe ich das nicht

 

Nachdem ich meine anfänglichen Widerstände überwunden hatte und der Realität ins Auge sah, holte ich mir sehr schnell professionelle Unterstützung, um meine Ängste zu bearbeiten und aufzulösen. Denn ich erkannte bald, dass ich – auch als Coach und ausgestattet mit vielen hilfreichen Methoden und Tools – nicht sehr weit kommen würde, wenn ich das alles alleine bearbeiten würde. Und erst recht nicht so schnell, wie ich es wollte.

Jetzt, wo ich meine Ängste und ihre Auswirkung auf mein Leben erkannt hatte, wollte ich sie unbedingt so schnell wie möglich bearbeiten und die Kontrolle über mein Leben zurückgewinnen.

Mit der Begleitung meiner wundervollen Therapeutin stellte ich mich einer Angst nach der anderen. Ich verstand immer mehr, was mich all die Jahre ausgebremst hatte und wie ich nun selbst wieder das Ruder übernehmen konnte.

 

Was es mir brachte, mich meinen Ängsten zu stellen

 

Seit dem Beginn dieser Unterstützung ist mein Leben ein vollkommen anderes geworden. Ich habe so viel verändert, bin so viel kraftvoller und lebendiger und lebe inzwischen ein Leben, mit dem ich absolut zufrieden und glücklich bin.

Und das Allerschönste ist: Ich habe endlich die volle Kontrolle über mein Leben. Ich entscheide, welchen Weg ich einschlagen will und wie ich mein Leben leben will. Ich bin die Kapitänin auf meinem Schiff, ich habe das Sagen.

Ich lasse mich nicht mehr von Ängsten und Sorgen davon abhalten, das zu tun, was mir wichtig ist und was mir am Herzen liegt. Ich lege meine Prioritäten und Ziele fest und handle danach.

Was sich seit letzten Sommer in meinem Leben getan hat, lässt sich kaum in Worte fassen. Und ich staune immer noch jeden Tag über diese riesengroße Veränderung und die Möglichkeiten, die sich mir dadurch eröffnet haben.

 

Um Hilfe bitten und sie annehmen

 

Doch was ist das entscheidende Element, das diese Veränderung hervorgebracht hat?

Ich glaube, hier spielen zwei Dinge eine wesentliche Rolle. Einerseits war und ist es wichtig, dass ich mir Hilfe hole, wo ich alleine nicht weiterkomme. Ich habe gelernt, um Hilfe zu bitten und diese auch anzunehmen. Ohne mich hinterher schlecht damit zu fühlen, weil ich mich schäme oder denke, das ich dem anderen nur „zur Last falle“ (meine alten negativen Glaubenssätze).

Ich habe viele Menschen um Unterstützung gebeten und habe so viel Hilfe und Angebote angenommen, wie noch nie zuvor. Ich habe es zugelassen, dass andere mir helfen. Ich habe sie an mich und meine Verletzlichkeit herangelassen.

Eine wunderschöne Erfahrung hierbei war, dass dort, wo ich Ja gesagt habe und mich für Hilfe geöffnet habe, immer noch mehr Unterstützung zu mir gekommen ist und das Leben mir unfassbare Geschenke gemacht hat, die ich mir vorher gar nicht hätte träumen lassen.

Doch der Schlüssel zu diesem Reichtum war: Ich musste diese Geschenke auch annehmen. Und das habe ich, immer wieder und ich habe es kein einziges Mal bereut!

 

Mein Weg raus aus der Angst

 

Das zweite wichtige Element auf meiner Reise zu mehr Kontrolle über mein Leben war, dass ich angefangen habe, mich meinen Ängsten zu stellen. Stück für Stück habe ich genau das getan, was mir anfangs noch massives Herzrasen und Bauchkrämpfe bescherte.

Ich habe klein angefangen und mich nach und nach zu den großen Ängsten vorgearbeitet. Doch mit jeder Angst, der ich mich bewusst gestellt habe, wuchs mein Vertrauen in mich und das Leben.

Ich lernte, dass die meisten meiner Ängste unbegründet waren, so real und handfest sie sich ursprünglich auch angefühlt hatten.

Im Laufe des Lebens entwickelt jeder Mensch gewisse Ängste, die einen mehr, die anderen weniger. Manche werden aus der eigenen Erfahrung heraus geboren, andere übernehmen wir von unseren Eltern und den Menschen, die uns in unserer Kindheit stark geprägt haben.

Ich habe erkannt, dass viele meiner Ängste überhaupt nicht meine eigenen sind, sondern dass sie aus meiner Familie stammen. Diese Ängste haben dafür gesorgt, dass ich vieles nicht getan habe, wonach ich mich so sehr sehnte.

 

Wer hat hier das Sagen?

 

Wenn ich heute merke, dass Angst in mir hochkommt, schaue ich sie mir genau an. Ich versuche, herauszufinden, was da gerade in mir los ist und wovor ich Angst habe. Ich gehe nicht einfach über diese Empfindung hinweg, ich nehme sie bewusst war und gehe in Kontakt mit ihr.

Doch ich überlasse ihr nicht mehr die Entscheidungsmacht über mein Handeln.

Ich weiß inzwischen so sehr wie nie zuvor, dass es sich lohnt, sich den eigenen Ängsten zu stellen. Dass hinter unseren Ängsten die größten Geschenke und Wunder auf uns warten.

Ja, unsere Ängste haben einen guten Grund. Doch der liegt meist in der Vergangenheit und hat mit unserer Gegenwart nichts mehr zu tun (auch wenn es sich noch so sehr danach anfühlt). Wir sind erwachsen und können mit all dem, was uns als Kind einst geängstigt hat, umgehen. Wir können auf uns selbst aufpassen und uns um unsere Bedürfnisse kümmern.

 

Meine wichtigsten Erkenntnisse

 

Auf meiner Reise raus aus der Angst habe ich also zwei wesentliche Dinge gelernt. Und diese möchte ich heute an dich weitergeben:

1. Lasse dir helfen

Du musst deinen Weg nicht alleine gehen und musst dich auch mit deinen Problemen nicht alleine auseinandersetzen. Es gibt die Menschen, die dir helfen wollen. Du musst dich ihnen nur anvertrauen und die Geschenke, die sie dir machen wollen, annehmen können.

2. Stelle dich deinen Ängsten

Überlasse ihnen nicht die Entscheidung über dein Leben. Tue die Dinge, die dir am Herzen liegen, auch wenn sie dir Angst machen. Letztlich ist die Angst auch ein guter Indikator dafür, dass es da etwas für dich zu entdecken gibt, das dich möglicherweise enorm bereichern und weiterbringen wird.

 

Alles hat seine Zeit

 

Diese beiden Anregungen sind keine Kleinigkeiten. Sie lösen womöglich viel Widerstand in dir aus.

Lasse dir Zeit, setze dich nicht unter Druck. Große Veränderungen kommen nicht von heute auf morgen. Und alles hat seine Zeit.

Für mich war letzten Sommer einfach die Zeit reif und meine Unzufriedenheit war groß genug, um mich diesen Themen endlich zu stellen. Im Grunde habe ich Jahre für den Anlauf gebraucht.

Manchmal müssen die Dinge erst richtig schlimm werden, bevor wir uns innerlich entschließen können, etwas zu ändern. Aber das ist vollkommen okay. Alles hat seine Zeit.

Nimm dir deine Zeit und sei liebevoll mit dir selbst. Alles kommt zur rechten Zeit.

Denn Gras wächst ja auch nicht schneller, wenn man daran zieht.

 

 

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