Vor meinem Fenster sitzt ein Pferd auf der Fußgängerzone und spielt Schlagzeug.
Es ist umgeben von vielen Schaulustigen, Kinder tanzen begeistert zum animierenden, mitreißenden Beat und mich zieht es immer wieder zum Fenster, um das faszinierende Schauspiel zu beobachten. Das Tier hat noch nicht einmal ein richtiges Schlagzeug vor sich stehen, es spielt auf Töpfen, Schalen und Eimern. Und doch klingt es für meine ungeschulten Ohren großartig, geradezu genial. Die Zuschauer klatschen begeistert. Das Tier hat großes Talent, es macht wahre Freude, ihm zuzuhören.
Doch so wie das Schlagzeug kein wirkliches Schlagzeug ist, ist auch das vermeintliche Pferd kein Pferd. Es ist ein Mensch mit Pferdemaske. Aber was für ein Mensch! Ja, er versteckt sich hinter einer Maske. Doch immerhin traut er sich, diese mehr als ungewöhnliche Performance mitten in der Offenbacher Innenstadt durchzuführen und sich so dem schonungslosen Urteil zahlloser Passanten auszusetzen. Denn diese sind für gewöhnlich nicht gerade zimperlich, was das Kundtun ihres Urteils betrifft. Er hat meine volle Bewunderung.
Sichherlich ist seine Mutter nicht gerade begeistert davon und sein Vater würde sich vielleicht schämen, ihn so zu sehen. Und wenn nicht er, dann irgendwelche Verwandten, Bekannte oder Nachbarn. Denn wenn jemand auf eine Art und Weise handelt, die gesellschaftlich nicht mehr als „normal“ gilt, dann wird dieser in der Regel nicht gerade mit Komplimenten und Ermutigung überhäuft.
Und doch, es gibt sie. Die Menschen, die das tun, was sie tun wollen, ganz gleich, was alle anderen von ihnen halten oder hinter ihrem Rücken über sie sagen. Denen es egal ist, ob sie belächelt, beschimpft oder ausgelacht werde.
In mir lösen diese glanzvollen Beispiele von Integrität und Mut wahre Begeisterung aus. Auch ich möchte das tun, was für mich das Richtige ist und meinen ganz eigenen Weg gehen, ob ich damit nun auf Applaus oder Ablehnung stoße.
Jedes Mal, wenn ich es schaffe, mir einen Freiraum zu erkämpfen, Land zurückzuerobern und mir treu zu sein, wo ich es bisher nicht war, jubiliere ich innerlich. Etwas in mir schreit danach, die Dinge anders zu machen, neue Pfade zu beschreiten, mich von Gewohntem und Altbekanntem zu lösen und vollkommen frei zu sein.
Frei von Denkverboten. Frei von moralischen und gesellschatlichen Konventionen. Frei von der Belastung, anderen gefallen zu wollen. Und frei vom inneren Zwang, ihre Erwartungen zu erfüllen. Ganz ohne Trotz und Rebellion. Einfach nur das tun, was mir in diesem Moment für mich alleine das Richtige zu sein scheint.
Denn worauf kommt es an, wenn die ganze Show hier vorbei ist? Letztlich doch nur noch auf eines: Bin ich mir wirklich treu geblieben und habe ich mein Leben nach meinen eigenen Vorstellung gelebt?
Mir scheint es, eines der sinnvollsten und erstrebenswertesten Lebensziele überhaupt zu sein.
Wie denkst du darüber? Sehnst du dich auch danach, auszubrechen und etwas zu tun, das man eigentlich nicht tut? Kennst du die Sehnsucht danach, dir selbst treu zu sein und auf das Urteil anderer zu pfeifen?
Foto: unsplash
Danke! Ich „übe“ gerade zu tun was ich nicht will und nicht das was andere von mir erwarten. Nicht leicht, aber es wird im besser. Deine Seite ist toll!!!
Liebe Myway,
das kenne ich gut, es ist ein Weg, ein Prozess. Und auch wenn ich mich schon recht lange auf diesem Weg befinde, gibt es immer noch viele Momente, in denen ich üben kann, mir treu zu sein und so zu handeln, wie es mir am meisten entspricht. Ich glaube, dass dieser Lernprozess nie endet und wir immer wieder neue Felder entdecken, wo wir das bereits Gelernte erneut andwenden müssen. Denn auch, wenn wir bereits etwas gelernt und verstanden haben, heißt das ja nicht, dass wir es immer und in jeder Situation mit Leichtigkeit anzuwenden wissen. Wachstum ist ein nie endender Prozess. Und das ist auch gut so, denn dadurch gibt es immer was zu entdecken! 🙂
Alles Liebe, Claudia
WAHRHAFTIGKEIT!!! THANX, poetry Lady. I love to be visitor to your mind. Keep on writing, thinking Lady